Blog WM Special: Wollen wir den Pokal?

Wollen wir den Pokal? Mysterien des Alltags, WM-Special

15.06.2018, Experten-Meinung

Über Material, Materialeigenschaften und Materialdatenbank.

Wer kennt ihn nicht, den FIFA WM-Pokal ›, der derzeit fest in unserer Hand ist? Entworfen 1971 vom italienischen Bildhauer Silvio Gazzaniga, als Nachfolger des Jules-Rimet-Pokals, der nach dem dritten Titelgewinn Brasiliens 1970 ebendort dauerhaft verblieben ist. Übrigens nicht ganz so dauerhaft, wie ursprünglich geplant, denn er wurde später gestohlen und vermutlich von den Dieben eingeschmolzen; zumindest ist er nie wieder aufgetaucht.

 

Seither kämpft die Fußball-Welt also um diesen neuen Pokal, der nur so heißt, aber eigentlich gar kein Pokal ist. Denn ein Pokal ist eigentlich ein Trinkgefäß und trinken kann man aus dieser Statue sicherlich nicht. Auf der Unterseite des Pokals werden seit 1974 die Namen der Fußball-Weltmeister eingraviert, vier Mal wurde dort bereits Deutschland verewigt. Platz für weitere Namen gibt es übrigens noch bis 2038, dann wird wohl ein neuer Pokal benötigt.

 

Der FIFA WM-Pokal ist 36,8 cm groß, wiegt rund 6,2 kg, besteht zu einem Großteil aus Gold und hat am Sockel zwei Ringe aus Malachit.

Er stellt zwei jubelnde Fußballer dar, die in ihren in die Höhe gestreckten Händen die Weltkugel halten.

 

Dabei stellt sich mir plötzlich die Frage:

 

Ist der WM-Pokal eigentlich massiv?

Diese Frage kann ich beantworten, wenn ich ein Modell des Pokals erstelle, das Gewicht durch SOLIDWORKS › ermitteln lasse und mit dem tatsächlichen Gewicht des Pokals vergleiche. Also auf geht´s!

 

Zunächst benötige ich das CAD-Modell des Pokals

Ein Modell ist schnell annäherungsweise hergestellt: Ein Bild des Pokals aus dem Internet heruntergeladen, in eine Skizze gelegt, Bild auf die in Wikipedia angegebene Größe skaliert, die Konturen nachmodelliert. Fertig. Wir wollen nicht pingelig sein, eine grobe Annäherung an die tatsächliche Kontur reicht völlig. Das Modell zum Nachbauen finden Sie am Ende des Beitrags.

Während des Modellierens: Skizzenbild aus dem Internet mit modellierter Weltkugel in 3D.

Einfaches Modell des FIFA WM-Pokals.

 

 

 

Als nächstes weise ich das Material zu

Reingold ist standardmäßig in SOLIDWORKS in der mitgelieferten Materialdatenbank vorhanden und kann im Featurebaum über das Feature Material einfach hinzugefügt werden.

 

 

Neben der Dichte des Materials, die für unsere Fragestellung wichtig ist, hält die Materialdatenbank noch eine ganze Reihe von anderen Werkstoffparametern vor, die von anderen Anwendungen der SOLIDWORKS Produktpalette genutzt werden, da greifen die Programme nahtlos ineinander: zum Beispiel für Festigkeitsanalysen und Temperaturbetrachtungen mit SOLIDWORKS Simulation ›, Berechnung der Fertigungskosten mit SOLIDWORKS Costing ›, Betrachtung des Umwelteinflusses mit SOLIDWORKS Sustainability ›.

 

Das Material bestimmt auch, wie das Modell grafisch dargestellt wird und wie es in der Schnittansicht einer Zeichnung schraffiert wird.

Unter dem Karteireiter Benutzerdefiniert lassen sich eigene Eigenschaften definieren und mit Werten füllen, zum Beispiel die Kosten des Materials pro Kubikmeter. Die Datenbank kann aus mehreren Quellen gefüttert werden, so bringen zum Beispiel SOLIDWORKS Simulation und SOLIDWORKS Sustainability jeweils eigene Datenbanken mit, deren Materialien genauso verwendet werden können.

 

Durch Klick auf Anwenden füge ich das Material Reingold meinem gesamten Modell hinzu, zunächst auch den beiden Ringen, die eigentlich aus Malachit erschaffen sind. Das werde ich aber gleich korrigieren.

 

Pokal komplett in Gold.

 

Nun erzeuge ich ein benutzerdefiniertes Material, das Malachit

Selbstverständlich können auch eigene Materialien erzeugt werden, zum Beispiel das Malachit ›, ein nicht sehr technischer Werkstoff, der mangels maschinenbaulicher Eignung noch nicht in der Datenbank enthalten ist.

 

 

Im linken Teil des Fensters finden sich unter der rechten Maustaste die Funktionen zum Erstellen einer neuen Datenbank (Benutzerdefinierte Materialien), einer neuen Kategorie (Edelstein) und letztlich eines neuen Materials (Malachit).

 

Im rechten Teil werden die Parameter eingegeben. Dabei kann das Materialverhalten sehr präzise definiert werden, und das muss es auch, wenn die Werte später für eine qualifizierte Aussage aus einer Simulation verwendet werden sollen. Dann ist es wichtig, ob sich das Material linear elastisch isotrop (bedeutet, die Materialwerte sind nicht richtungsabhängig), linear elastisch orthotrop (bedeutet, die Materialwerte sind richtungsabhängig) oder gar nicht linear elastisch verhält. Ein paar weitere Eigenschaften werden sicherlich auch noch benötigt.

 

Da mich aber ausschließlich das Gewicht des Modells interessiert, begnüge ich mich damit, die Dichte von Malachit mit 3.800 kg pro Kubikmeter. Alle anderen Felder lasse ich leer bzw. lösche die voreingestellten Parameter.

 

Ein Tipp: lieber ein Feld leer lassen, als einen falschen Wert darin stehen lassen.

SOLIDWORKS wird bei einer Berechnung, die den Parameter benötigt, eine Fehlermeldung senden, wenn das Feld leer ist, so dass man die Gelegenheit erhält, den Wert zu ermitteln und nachzutragen. Steht ein falscher Wert im Feld, wird die Rechnung ausgeführt, komme dabei heraus was wolle!

 

 

 

Unter dem Reiter Erscheinungsbild suche ich mir eine schöne dunkelgrüne Farbe aus, die leicht glänzend ist. Die weiteren Reiter benötige ich für meine Untersuchung nicht, daher beende ich meine Eingabe mit Klick auf Speichern.

 

Baugruppe oder Mehrkörper-Teil?

Obgleich mein Pokal eigentlich aus drei Teilen besteht (dem Korpus aus Gold und zwei Ringen aus Malachit) und daher tatsächlich eine Baugruppe ist, habe ich mich entschieden, das Pokal-Modell als Mehrkörper-Teil zu modellieren. Das war für mich in diesem Fall eine Vereinfachung bei der Modellierung, in ernsthaften Betrachtungen sollte man die Frage „Baugruppe oder Mehrkörper-Teil?“ bewusst beantworten – beide Varianten haben ihre Vorzüge.

 

Für die Berechnung des Gewichts, und da will ich ja hin, ist es aber egal. Jede SOLIDWORKS-Ausbaustufe kann sowohl im Mehrkörper-Teil, als auch in der Baugruppe das Gewicht ermitteln. Es lässt sich sogar einem Modell ein Gewicht zuweisen. Das ist sinnvoll, wenn mit vereinfachten Modellen gearbeitet wird, zum Beispiel Kaufteilen, die aus dem Internet heruntergeladen wurden.

 

Fun-Fact am Rande: bei manchen CAD-Programmen muss die Funktion „Gewicht einer Baugruppe“ zusätzlich als Modul erworben werden – SOLIDWORKS hat das standardmäßig dabei.

 

Ich weise nun beiden Ring-Körpern abweichend von der globalen Modelleinstellung das Material Malachit zu (rechte Maustaste auf die jeweiligen Körper im Featurebaum).

Featurebaum: Mehrkörper-Teil mit unterschiedlichen Materialien.

WM-Pokal mit verschiedenen Materialien.

 

 

 

Damit sind alle Vorarbeiten abgeschlossen und ich bediene mich der Masseneigenschaften auf dem Reiter Evaluieren. Im Fenster kann ich die Ergebnisse ablesen, bei Bedarf unter Optionen im Fenster noch die Maßeinheiten umstellen:

 

Der Pokal würde – wäre er massiv – ca. 54 kg wiegen.

Optionen der Masseneigenschaften.

Masseneigenschaften des WM-Pokals.

 

 

Damit komme ich dann wieder zurück zur Ausgangsfrage:

 

Ist der Pokal massiv? Nein.

 

Wollen wir ihn trotzdem? Ja, unbedingt!

 

 

 

– – –
Quellen und Bildnachweise:
FIFA Pokal CAD Modell: Download ›
FIFA WM Pokal: https://de.wikipedia.org/wiki/FIFA-WM-Pokal
Malachit: https://de.wikipedia.org/wiki/Malachit, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10136310 (Rob Lavinsky, iRocks.com)
Titel: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Agencia-brasil-novas-jogo20140714_0005.jpg (Marcello Casal Jr/ Agência Brasil)

Über den Autor

Stefanie Dieterich

Stefanie ist seit 1997 bei der Solidline tätig. Ihr Weg führte Sie über verschiedene Stationen zur Niederlassungsleitung in Hamburg. Sie hat eine fanatische Begeisterung für jegliche Sportart und natürlich für SOLIDWORKS.

Stefanie ist seit 1997 bei der Solidline tätig. Ihr Weg führte Sie über verschiedene Stationen zur Niederlassungsleitung in Hamburg. Sie hat eine fanatische Begeisterung für jegliche Sportart und natürlich für SOLIDWORKS.